Nachdem sich mein Broterwerb vom bewegungszentrierten in den sprachzentrierten Bereich verlagert hatte, entstand das Bedürfnis nach einer performativen Form, die ohne fixe Probenzeiten auskommt, ohne gemieteten Raum, ohne Deadlines für Einreichung und Premiere. Der Entwurf eines prozessorientierten, überall realisierbaren Formats entstand:

in_visible dances

Ausgangssituation des Projekts war eine Serie von microscopical dances im öffentlichen Raum, in der ersten Realisierungsphase im Warten auf öffentliche Verkehrsmittel, in der Länge zwischen 30 Sekunden und 28 Minuten.
Die Möglichkeit und Wahrscheinlichkeit des beim Tanzen im öffentlichen Raum beobachtet Werdens kreiert ein dichtes Spannungs- und Forschungsfeld.
Wie wird Bewegung rezipiert, die im Kontext der Wartesituation daherkommt?
Was ist Normalität für den/die zufällig Zuschauende/n?
Welche Publikumsreaktionen ergeben sich aus der Minimalverschiebung des Bewegungsrepertoirs aus der als normal kodierten Bandbreite?

Instant Choreography

In der führe ich aus dem Moment kommend private und kontrolliert choreografierte Bewegung zu Tänzen zusammen, die sich von Bewegungen wartender Personen am Bahnsteig minimal unterscheiden, angefangen nur von einem Unterschied in der Aufmerksamkeit als geringster Distanz zu Pedestrian, bis hin zu nicht mehr im Bewegungsrepertoir einer Wartenden vorkommenden Bewegungen, Rhythmen und Spannung. Die Tänze finden als punktuelle Aktionen im Tagesablauf einer berufstätigen Frau und Pendlerin statt.

Verschiedene Spannungsfelder tun sich auf:

Sichtbarkeit und Sichtbarmachung
pedestrian versus artificial movement

Alltagsbewegung und die Frage, wo Tanz beginnt, wo die Grenze zwischen pedestrian movement und als Tanz wahrgenommener Bewegung liegt, haben mich immer beschäftigt.
In_visible Dances verwendet Minimalbewegung als Ausgangspunkt der Auseinandersetzung mit sichtbarer und unsichtbarer Performancekunst im öffentlichen Raum. Zwischen dem wartenden Körper auf dem Bahnsteig und der tanzenden Performerin liegt eine breite Grauzone, in der die Performerin immer neu entscheidet, was sie zu zeigen bereit ist, wie sichtbar sie als eine nicht nur Wartende wird.

Verhandlungsfeld

Der/die Zuschauende ist aufgefordert, für sich zu definieren, was er/sie hier zu sehen bekommt, ob und wie viel Aufmerksamkeit das Gesehene wert ist und wie darauf zu reagieren ist.
Ein Verhandlungsraum entsteht, der beide Seiten durch unerwartete Ergebnisse zu verblüffen vermag.
Der/die ZuschauerIn als ebenso die Performance gestaltendes Element wie die Performerin erweitert die Möglichkeiten weit über einen kontrollierbaren Rahmen hinaus.

Ankündigung oder Signalsetzung
Zum Spiel mit Sichtbarmachung werden in einer 2. Laborphase Zeichen, die die Performance in einen Kunstkontext setzen, verwendet:

angekündigte Performanceserien
Hinweisschilder vor Ort
ein sichtbarer Bühnenraum durch Tanzboden oder andere räumliche Abgrenzung
definierte akustische Environments mit den dazu nötigen technischen Geräten und beteiligten Musikern.

Unsichtbarkeit
Dem gegenüber steht im Gegenzug der Versuch, die Performances völlig unsichtbar zu machen:

Aufführungen in menschenleerer oder privater Umgebung, in der Natur fernab von Wegen, unsichtbar durch den Mangel an RezipientInnen.
Performances in Umgebungen, in denen praktisch jede Bewegungsform erlaubt ist. Auf einer Clubbingveranstaltung könnte eine Kunstperformance in der allgemeinen Selbstdarstellung zur Musik völlig verschwinden. (Ina Rager)

Die Spur der Performance erhält sich bei aller Unsichtbarkeit des Tuns in der

Dokumentation

„unsichtbar, doch öffentlich..........." – fragen des Dokumentierens

Was bleibt von einer Performance, die nicht angekündigt, ohne Werbung und ohne Definition eines „Zuschauerfeldes" sich ereignet als ein weiterer schier unscheinbarer Baustein des öffentlichen Raumes, der übervoll ist von Zeichen und Strukturen, von Regeln und Interaktionen, und vielleicht auch von Wundern?
Von einer Performance, die – so scheint's – keinen Wert auf jenen spezifischen Blick eines „Zuschauers" legt, jenes spezifische „gesehen und beachtet werden", das – folgt man den gängigen Modellen – eine Performance erst zur Performance macht?
Kann der Blick eines „neutralen, dokumentierenden Beobachters" den Blick des „Zuschauers" ersetzen?
Ist das beobachtende Auge nicht selbst teil des performativen Geschehens, das wiederum eine neue Art von Zuschauern generiert? (Roman Hiksch)